Unter dem Titel „Geht Sterben wieder vorbei?“ rückte der Herner Palliativtag 2024 erstmals die Ängste und Bedürfnisse trauernder Kinder und Jugendlicher in den Mittelpunkt. Dass die Veranstaltung im Seminarzentrum des EvK Herne bereits Wochen vor Termin mit mehr als 120 Teilnehmenden komplett ausgebucht war, zeigt, wie sehr diese Problematik Medizinern, Therapeuten, Sozialarbeitern, Seelsorgern und Ehrenamtlichen nicht nur in Herne am Herzen liegt.
„In der therapeutischen Beziehung werden Trauer und Zukunftsängste mit der Familie einer palliativ erkrankten Person viel zu selten angesprochen“, sagt die Schmerz- und Palliativmedizinerin Dr. Katja Vogelsang, Ärztliche Leiterin des Palliativzentrums im EvK Herne und Organisatorin des Palliativtages. In der Ausbildung von Ärzten würden nahezu keine Kompetenzen in Bezug auf Trauer vermittelt, so dass ihnen wichtige Fähigkeiten fehlen – von der richtigen Wortwahl bis zum Umgang mit den eigenen Gefühlen.
Sprachlosigkeit überwinden
Wie sich diese Sprachlosigkeit überwinden lässt, erläuterte Mechthild Schroeter-Rupieper vom Lavia Institut in Gelsenkirchen, die Begründerin der Familientrauerbegleitung in Deutschland. Aus ihrer jahrzehntelangen intensiven Arbeit mit Familien eröffnete die Trauerbegleiterin so berührende Einblicke in das Todesverständnis und in die Trauerreaktionen bei Kindern und Jugendlichen, dass im Publikum viele Tränen flossen. „Wir müssen lernen, auch bei Kindern und Jugendlichen Trauer zuzulassen, und Räume schaffen, wo sie auf ihre Weise trauern können“, so Schroeter-Rupieper. Gleichzeitig gab die Kinderbuchautorin den Teilnehmenden praktische Instrumente an die Hand, um das Verhalten trauernder Familien im Krisenfall besser zu verstehen, sie einfühlsam zu begleiten und kindgemäße Abschiedsrituale zu gestalten.
Alleinerziehende besser unterstützen
Fallbeispiele aus ärztlich-medizinischer Sicht prägten den zweiten Teil des Fachtages. Die Allgemeinmedizinerin und Psychotherapeutin Dr. Iris Veit forderte, bei Anamnese-Gesprächen mit Patienten immer auch die Verlusterfahrungen der Erkrankten zu erfragen, denn diese hätten unmittelbare Folgen für die nachfolgende Generation: „Die Lebenszusammenhänge sind oft viel größer als das, was medizinisch erkennbar ist.“ Der Onkologe Dr. Curd-David Badrakhan warnte davor, Betroffenen die Diagnose einer lebensbeenden Krankheit in Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen zu überbringen: „Patienten brauchen Raum, um die finale Diagnose entgegenzunehmen und zu besprechen. Diese Information sollte Kindern und Jugendlichen erst in einem späteren Gespräch mitgeteilt werden.“ Die Frauenärztin Luljeta Korca bemängelte das Fehlen ausreichender Unterstützungssysteme für Alleinerziehende am Ende ihres Lebens. Es gebe für Kinder und Jugendliche von Ein-Eltern-Familien so gut wie keine professionellen Angebote, um den Verlust nächster Angehöriger zu verarbeiten.
Kinderärzte automatisch informieren
Mit vielen Diskussionsbeiträgen und Fragen ging der Fachtag zuende. „Wir haben heute wichtige Hinweise und praktische Hilfen erhalten, die uns in unseren Professionen dabei unterstützen, trauernde Kinder und Jugendliche besser zu verstehen und in der Krise zu begleiten“, zog Dr. Katja Vogelsang ein Resümée der Veranstaltung. Eine der Handlungsempfehlungen sollte möglichst sofort in die Versorgung einfließen: „Wenn Mütter oder Väter palliativmedizinisch versorgt werden, sollte automatisch die Kinderärztin oder der Kinderarzt informiert werden. Sie kennen die kleinen Patienten oft seit längerer Zeit und können gezielt Hilfestellung leisten oder Unterstützung organisieren.“